Stefanie Weinacker ist seit über zwei Jahren Ausbildungsleitung bei der Stadt Lahr im Ortenaukreis. Im Interview spricht sie mit uns über ihre Beweggründe, in den öffentlichen Dienst gegangen zu sein und gibt Einblicke über Ausbildungsprojekte und wie Personen sich vermutlich in fünf Jahren bewerben werden.
Die erste Frage vorab und ganz allgemein: Wie zufrieden sind Sie mit der Ausbildungsquote bei der Stadt Lahr?
Parallel zum Anstieg des Bedarfs an Fachkräften steigern wir auch unsere Ausbildungsquote. Gerade im Sozial- und Erziehungsdienst steigt die Zahl der Azubis und Direkteinsteigern im Vergleich zu den Vorjahren spürbar an. Hier nutzen wir auch die Möglichkeit, neue Berufsbilder anzubieten. Unser Ziel ist, vor den Fachkräftemangel zu kommen, indem wir unsere eigenen Spezialistinnen und Spezialisten ausbilden und uns so für die Zukunft gut ausgebildete Fachkräfte heranziehen.
Wie hat sich die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen in den letzten Jahren in Lahr entwickelt?
Vermehrt bekommen wir Anfragen für Studienplätze. Dieser Trend ist klar zu erkennen. Azubis, die bei uns eine dreijährige Ausbildung absolviert haben, entscheiden sich auch regelmäßig nach der Ausbildung für ein Studiengang. Was wir verstärkt wahrnehmen, ist der Bezug zum Ausbildungsbetrieb. Das Thema „Sicherer Ausbildungs- und Arbeitsplatz“ ist den Azubis deutlich wichtiger geworden. Hier haben wir im öffentlichen Dienst einen entscheidenden Vorteil gegenüber Betrieben der Privatwirtschaft.
Inwiefern hat sich die Ausbildung durch die Digitalisierung verändert? Welche neuen Kompetenzen werden heute von Auszubildenden erwartet, die vor ein paar Jahren noch keine Rolle gespielt haben?
Unsere Azubis müssen den Spagat zwischen dem Umgang mit KI und den althergebrachten Papierakten beherrschen. Der Anspruch wird deutlich höher und auch unsere Bürgerinnen und Bürger haben berechtigte Erwartungen an unsere zukünftigen Fachkräfte. Damit stehen wir alle von der großen Herausforderung, gemeinsam die notwendigen Kernkompetenzen zu stärken und somit für jede und jeden den richtigen Platz zu finden. Aus den „Verwaltern“ sind heute Kommunikations- und Organisationsfachleute geworden. Projektmanagement und die optimale Zeitplanung im Alltag gehören zu den Grundlagen.
Die Stadt Lahr setzt auf eine praxisnahe Ausbildung. Welche besonderen Erfahrungen oder Projekte können die Auszubildenden während ihrer Zeit bei Ihnen erwarten?
Als einen der wichtigsten Punkte sehen wir die Fähigkeit, dass unsere Azubis wissen, mit wem und für wen sie ihre Arbeit machen. Deswegen ist es uns sehr wichtig, dass unsere Azubis berufsübergreifend zusammenarbeiten und Projekte gemeinsam planen und umsetzen. Beispielsweise die Unterstützung eines Messestands, Schulbesuche, bei denen die Azubis als Botschafterinnen und Botschafter mitwirken, oder die Betreuung von Schulpraktikantinnen und Schulpraktikanten. Jeder und jede hat die Möglichkeit, sich einzubringen, Verantwortung zu übernehmen und Ideen umzusetzen.
Können Sie ein konkretes Beispiel für ein Ausbildungsprojekt nennen, das besonders erfolgreich war?
Ein tolles Projekt war der Girls- und Boys-Day: ein bundesweiter Aktionstag, an dem Jugendliche typische Frauen- und Männerberufe kennenlernen können. Zunächst haben wir uns ausschließlich im Bereich des Sozial- und Erziehungsdiensts beteiligt, seit 2023 auch mit unseren handwerklich-technischen Berufen. Den Tagesablauf haben wir vorab mit den jeweiligen Fachabteilungen geplant und die Azubis konnten den interessierten Jugendlichen unsere „Männer- und Frauenberufe“ näherbringen. Von der Begrüßung am Morgen und der Prüfung der Anwesenheitsliste bis zum abschließenden Gruppenfoto waren unsere Azubis dabei. Es war ein erfolgreicher Tag, an dem nicht nur die Mädels und Jungs Spaß hatten, sondern auch die Azubis und die Ausbildungsbeauftragen.
Bevor Sie bei der Stadt Lahr angefangen haben, arbeiteten Sie in der freien Wirtschaft. Warum ist es der öffentliche Dienst geworden?
Weil ich hier meinen Traumjob gefunden habe. Hier habe ich die Möglichkeit, viele Menschen beim Start ins Berufsleben zu begleiten und zu unterstützen. Als Ausbildungsberaterin habe ich in der Vergangenheit den Bereich der beruflichen Bildung kennen- und schätzen gelernt. Natürlich spielt auch bei mir der Sicherheitsaspekt eine nicht unerhebliche Rolle. Meine Arbeit hier bei der Stadt Lahr beruht auf Vertrauen und Verlässlichkeit und das in beide Richtungen. Eine offene Kommunikation und ein lösungsorientierter Umgang mit meinem Vorgesetzten ist für mich das Hauptargument, warum ich hier richtig bin. Natürlich ist auch hier nicht alles Gold, was glänzt – aber Silber ist auch ganz nett.
Zuletzt ein Blick in die Glaskugel. Wie werden sich potentielle Auszubildende in fünf Jahren bei der Stadt Lahr bewerben?
Gänzlich digital. Mit verschiedenen KI-Anwendungen wird sich Einiges verändern – und das in sehr naher Zukunft. Eine Bewerbung in Papierform wird vermutlich komplett aussterben. Vielmehr werden wir uns kurze Texte, Sprachnachrichten oder Fotos anschauen und anhand von diesen unsere Vorauswahl treffen. Das persönliche Gespräch wird sich aber – zumindest für mich – nicht ersetzen lassen. Vielleicht müssen wir uns auch als Arbeitgeber bei zukünftigen Azubis bewerben?
Zur Person
Nach Stationen zuvor in der Wirtschaft wie dem Europapark Rust ist Stefanie Weinacker seit August 2022 die Ausbildungsleitung bei der Stadt Lahr im Ortenaukreis. Im Interview spricht sie von ihrem “Traumjob”, den sie im öffentlichen Dienst gefunden hat. Sie schätzt dabei ihren Arbeitgeber, die Stadt Lahr, nicht zuletzt für die Unterstützung ihrer Ausbildung an der Landesfeuerwehrschule Baden-Württemberg. Nach dem abgeschlossenen CISM Lehrgang ist sie nun ehrenamtlich in der Psychosozialen Notfallbetreuung tätig.