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Aus der Praxis: Doppelinterview zum KI-Onboarding bei der Gemeinde Rosendahl  

Sebastian Wolters und Henning Illerhues sind treibende Kräfte in Sachen Künstliche Intelligenz bei der Gemeinde Rosendahl im Münsterland. Wir haben im Interview mit beiden über ihr Vorgehen beim KI-Onboarding gesprochen und ausführliche Einblicke in die strukturierte Umsetzung erhalten – stets gemeinsam mit den Mitarbeitenden der Gemeinde Rosendahl. Ob es eine Blaupause für den öffentlichen Dienst ist?  

 
Carolin Schröer: Sie haben auf der Digitalkonferenz im Kreis Coesfeld das Konzept eines KI-gestützten Onboardings vorgestellt. Wie können wir uns diese Art des Onboardings vorstellen? 

Sebastian Wolters: Es ist so, dass wir bei uns bisher bei der Einführung von neuen Prozessen und Tools noch keine strukturierten Onboarding-Prozesse haben. Meistens führen wir Einzelschulungen durch, zum Beispiel bei der Einführung neuer Dokumentenmanagement-Systeme oder Fachanwendungen. Mit unserem KI-Projekt wollten wir aber einen anderen Weg gehen. 

Dieses Projekt haben wir daher etwas höher aufgehangen. Unser Ziel war es, einen klar definierten Prozess zu schaffen, der in mehreren Etappen abläuft. Es gibt grundlegende Themen, die besprochen werden müssen wie die Arbeitsweise, Vorgaben und Tools. Wir haben das Ganze in verschiedene Phasen gegliedert. 

Zunächst gibt es eine Einführung in die Welt der KI. Dabei erklären wir den Kolleginnen und Kollegen in einfachen Worten, was KI ist und zeigen anhand von Beispielen aus der Wirtschaft wie z.B. Tesla, was mit KI heute schon möglich ist. Wir wollen damit Einblicke geben und zeigen, dass die Wirtschaft in manchen Bereichen schon eher weit vorangeschritten ist und wir uns als Verwaltung bei diesem Thema nicht sperren können. Denn wenn wir zu lange warten, wird es uns am Ende vielleicht überrollen. 

Dann gehen wir auf Handlungsrichtlinien ein. Sprich: Was erlauben wir den Kolleginnen und Kollegen? Wir haben es nicht so hoch aufgehangen und eine Dienstvereinbarung erstellt, sondern wollen das eher pragmatisch angehen. Also haben wir ein PDF mit zehn bis zwölf Handlungsfeldern formuliert. Wie gehen wir mit Datenschutz oder Datentransparenz um? Was müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern nach außen signalisieren, wie wir arbeiten?  

So haben alle im Rathaus eine entsprechende Grundlage, wie sie sich mit einem KI-Tool zu verhalten haben. Am Ende sind wir mit diesen Leitfragen alle beruhigt. In erster Instanz ist es nicht so hoch aufgehangen wie eine Dienstvereinbarung, aber für den ersten Aufschlag reicht es.  

Außerdem bekommen die Mitarbeitenden eine Übersicht mit Mehrwerten anhand von einzelnen Praxisbeispielen aus den öffentlichen Verwaltungen. Der Chatbot auf einer Verwaltungshomepage ist immer ein Thema. Das haben wir bewusst ausgeklammert, weil wir erst intern das Thema KI angehen möchten. Unsere Leute müssen erst einmal verstehen, wie die KI funktioniert und müssen sie selbst bedienen können. 

Wir starten danach in eine Workshop-Phase. Hier zeigen wir den Mitarbeitenden mit konkreten Anwendungsfällen, wie Chat GPT, DeepL und DeepL Write funktionieren. Für diese drei KI-Tools haben wir uns erst einmal entschieden. Hier üben wir in verschiedenen Handlungsfeldern mit Prompting. Darüber hinaus haben wir noch ein Praxisbeispiel mit einer selbstgebauten KI. 

In der Praxisphase lassen wir die Kolleginnen und Kollegen zwölf Wochen damit arbeiten und werden uns ein Feedback einholen. Danach bilden wir eine entsprechende Arbeitsgemeinschaft im Rathaus. Wir haben schon Digi-Guides in allen Fachbereichen seit mehreren Jahren am Start, die Multiplikatoren im Bereich der Digitalisierung sind. 

Danach schauen wir einmal, in welcher konzeptionellen Ebene wir uns dann im ersten Quartal 2025 bewegen werden.  

Am 4. Dezember haben wir unseren Workshop durchgeführt und sind damit jetzt in einer Phase, wo jeder sich in ChatGPT, DeepL und DeepL Write ausprobieren kann.  

 
Wir haben den ersten Anstoß im HR-Bereich gesetzt und die Frage wird dann sein, worauf wir uns fokussieren werden. Wir wollen aber, dass das ganze Thema von unten heraus hochwächst und nicht hierarchisch vorgegeben wird.  

 
Carolin Schröer: Was sind die wesentlichen Unterschiede zu einem “traditionellen” Onboarding? 

Sebastian Wolters: Ein traditionelles Onboarding haben wir so in dieser konzeptionellen Idee, wie wir das jetzt mit KI machen, noch nicht. Natürlich haben wir verschiedene etablierte Onboarding-Prozesse, wenn zum Beispiel ein neuer Mitarbeiter eingestellt wird. 

Nun ist der wesentliche Unterschied halt, dass wir jetzt wirklich vorher ein Konzept haben. Dankenswerterweise durften wir dieses einem Fachpublikum (Digitalkonferenz Kreis Coesfeld, die Red.) bereits vortragen und erhielten Feedback aus anderen Behörden. 

Das Thema KI ist groß. Hier sind viele Aspekte zu bedenken. In den vergangenen Jahren haben wir gemerkt, dass wir bei neuen Themen die Mitarbeitenden ein wenig mehr an die Hand nehmen und auch einmal Praxisbeispiele zeigen sollten. 

Carolin Schröer: Wie kamen Sie auf diese Idee?   

Henning Illerhues: Erst einmal sind wir beide generell sehr interessiert an dem ganzen Thema KI. Meine Hauptaufgabe liegt in der Wirtschaftsförderung und bei Herrn Wolters als CDO liegt es schon im Namen, dass da von vornherein schon ein bisschen Interesse da ist (lacht). Zunächst haben wir uns mit den notwendigen Lizenzen ausgestattet. Wir haben dann selber im „Kleinen“ getestet und nach kurzer Zeit unser erstes CustomGPT erstellt. 

Dann haben wir erste Dinge in der täglichen Arbeit genutzt und schnell kamen Fragen wie: “Was macht ihr da eigentlich? Wie geht das?” oder “Ich will das auch machen, bitte erkläre mir das doch.” Wir haben direkt entschieden, keine personalisierten Einzelschulungen anzubieten, da dies eine Daueraufgabe und nicht zu leisten wäre. 

Führungskräfte sind auf uns zugekommen und haben für ihren Bereich Interesse bekundet, was wir mit einer KI vielleicht abbilden können. Wir haben gemerkt: Jetzt ist es an der Zeit, einen Standard zu erarbeiten und diesen mithilfe eines Konzeptes für alle Beschäftigten auszurollen. 

So wissen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass sie von Anfang an mitgenommen werden. Für uns ist aber auch klar, dass wir nicht jeden mitnehmen können – in dem Sinne, dass wir alle an die Hand nehmen. Wir wollten vielmehr ein Fundament für die Nutzung von KI schaffen. 

Carolin Schröer: Was erhoffen Sie sich konkret von der KI? 

Sebastian Wolters: Wir gehen mit dem Ziel in den Prozess, dass wir gerade nach der Praxisphase und dem Workshop allen Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit geben, die definierten Tools zu nutzen. 

Am Ende möchten wir Arbeit effizienter, bürgerfreundlicher und Verwaltungsabläufe schlanker gestalten. Im Wesentlichen ist es eine Entlastung von Routineaufgaben. 

Gerade im Sozialbereich haben wir ein ganz spannendes Thema. Konkret für Fälle beim Bürgergeld und Bereichen mit Ermessungsspielraum wollen wir KI als Entscheidungshilfe ausprobieren.  

Wir erreichen so eine höhere Servicequalität. Denn alles, was zum Bürger nachher schneller herausgeht, da performen wir ja besser. Wir erreichen eine modernere und schnellere Kommunikation mit dem Bürger, zum Beispiel über Chatbots. 

Erst einmal wird es ein bisschen mehr Arbeit und vielleicht sind Ängste vorhanden. Mittelfristig sehe ich jedoch eine deutliche Reduktion, was den Stress angeht. 

Carolin Schröer: Was waren die größten Herausforderungen bei diesem Projekt?  

Sebastian Wolters: Die Alltagstauglichkeit ist eine Herausforderung. Wir versuchen das Thema KI so verständlich wie möglich zu formulieren. Unser Ziel ist es, dass jeder es auch ohne IT-Kenntnisse verstehen kann.  

Dafür mussten wir im Vorfeld Standardtools definieren. Wir wollten unseren Leuten keine riesige Spielwiese bieten, sondern die Tools mit dem für uns größten Mehrwert anbieten, sei es bezogen auf Sprache, Analysen, Entscheidungshilfen oder Informationsmöglichkeiten. Die Festlegung war daher schon eine Herausforderung.  

Das nächste Thema werden die Premium-Lizenzen sein. Mit der kostenlosen Version kommen wir nicht weit. Bei 60-70 Mitarbeitenden in der Nutzung ist es ein Kostenfaktor. Andererseits haben wir durch den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel große Herausforderungen in der Personalgewinnung. Unsere Vision ist da schon, dass wir unnötige Arbeit unterstützen können. 

Erst einmal ist es ein Mehraufwand, klar. Den müssen wir auch der Politik bei allen Sparmaßnahmen verkaufen. 

Bei Behörden fehlt es manchmal leider etwas an Pragmatismus. Die Frage nach einer Dienstvereinbarung, wie wir KI regeln können, wie es mit dem Datenschutz aussieht, kommt auf. Hier haben wir mit dem Bürgermeister eine Blaupause vereinbart. So haben wir freie Hand. 

Da ich stellv. Personalratsvorsitzender bin und Henning Personalratsvorsitzender ist, haben wir den Personalrat auch im Boot.  

So wie viele andere Behörden sich dies wünschen, sind wir ins “Doing” gekommen und können die Arbeit mit KI ausprobieren, aber auch damit scheitern. 
 

Carolin Schröer: Gab es dennoch auch Widerstände innerhalb der Belegschaft? 

Henning Illerhues: Tatsächlich nicht. Wir haben die Schulung auf unserer Personalversammlung bereits angekündigt. Der Schulungstermin fand Anfang Dezember statt und die Rückmeldequote war zu 95% positiv. 

Erfreulicherweise haben wir nur sehr wenig Negatives gehört. Vielmehr stehen viele dem erst einmal positiv gegenüber und sehen die Potenziale. Auch nach der Schulung merken wir, dass die ersten Schritte gut anlaufen und erste Kolleg*innen bereits für ihren Bereich konkrete Use-Cases haben und entsprechende Lösungen mit der KI suchen.  

Ob jeder Einzelne die Tools nachher auch in seiner täglichen Arbeit nutzen wird, das bleibt zu abzuwarten und wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Der erste Aufschlag war aus unserer Sicht wichtig und erfolgreich.  

 
Carolin Schröer: Wie evaluieren Sie den Mehrwert der KI? 

Sebastian Wolters: Zwölf Wochen nach der Schulung erstellen wir ein Review. Bspw. werden wir anhand einer Umfrage Feedback einholen. Mit unseren Digi-Guides werden wir persönliche Gespräche führen. 

Ich denke, dass wir aus dem ein oder anderen Fachbereich auch Feedback erhalten werden. Uns stehen da noch verschiedene Möglichkeiten für ein Review offen. 

 
Carolin Schröer: Und welche weiteren KI-Projekte sind im Personalbereich geplant oder vielleicht auch darüber hinaus?  

Sebastian Wolters: Im HR-Bereich haben wir den ersten Aufschlag gemacht. Hier liegt aktuell unser Fokus, weil wir im Bereich der Personalgewinnung aber auch bei der Haltung von Personal Akzente setzen wollen. 

In der Schulung haben wir eine Custom GPT den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für einen konkreten Anwendungsfall im Personalwesen demonstriert. Wir haben dort quasi ein eigenes Rosendahler System für alle Dienstvereinbarungen inklusive Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes gebaut. 

Es handelt sich um eine Offline-KI, also ist sie demnach nicht im Internet. Diese Custom-GPT gibt nur Rede und Antwort. Dadurch müssen Mitarbeitende jedoch keine hunderte von Seiten Dienstvereinbarung mehr lesen. 

Die KI haben wir jetzt lange trainiert, sodass sie entsprechend reelle Aussagen zu dem trifft, was der Kollege gefragt hat. Es erfolgt eine Referenz zur Dienstvereinbarung mit Quellenangaben. 

Gerade für neue Kolleginnen und Kollegen soll es einfacher werden. Früher haben alle einen riesigen Ordner mit allen ausgedruckten Dienstvereinbarungen bekommen. Da sind wir bereits auf ein digitales PDF umgestiegen. Wir gehen nun den nächsten Schritt und anstatt einem PDF, steht nun ein Custom GPT bereit. 

Es handelt sich um einen konkreten Anwendungsfall, der den Start im Onboarding vereinfachen soll. Ein anderes Thema im HR-Bereich wäre ein Bewerbungscheck durch KI. Wir merken, dass die Bewerbenden ihre Bewerbung durch die KI laufen lassen. Wir haben kaum noch Bewerbungen mit Rechtschreibfehlern (lacht).  

Natürlich können wir die Vorauswahl bei Bewerbungen der KI nicht vollumfänglich überlassen. Aber vier Augen sehen mehr als zwei. Es ist spannend mit der KI zu lernen und zu sehen, wie solch ein Tool vorgeht.  

Am Ende wird jeder für sich, gerade auch durch den Workshop und die Praxisphase den Effekt von KI spüren und sehen, wie gut die Ergebnisse für die eigene täglich Arbeit sind.   – nicht ersetzen lassen. Vielleicht müssen wir uns auch als Arbeitgeber bei zukünftigen Azubis bewerben? 

Zu den Personen 

Sebastian Wolters 

Sebastian Wolters (37 Jahre) arbeitet seit sechs Jahren bei der Gemeinde Rosendahl als Head of IT und CDO. Des Weiteren ist er seit 2024 in der Teilfunktion als stellvertretender Personalratsvorsitzender tätig. 

In dieser Funktion treibt er die digitale Transformation in diesem Bereich mit Leidenschaft voran. Mit einem besonderen Fokus auf moderne Technologien wie Künstliche Intelligenz und innovative digitale Lösungen setzt er sich dafür ein, Verwaltungsprozesse effizienter und bürgerfreundlicher zu gestalten. Er versteht sich als Wegbereiter für zukunftsweisende Arbeitsabläufe und nachhaltige Digitalisierung im öffentlichen Sektor sowie als Trendsetter für moderne Kommunalverwaltungen.  

Henning Illerhues 

Henning Illerhues (29 Jahre) ist seit einem Jahr in Hauptfunktion als Wirtschaftsförderer tätig und seit 2020 in Teilfunktion auch Personalratsvorsitzender in der Gemeinde Rosendahl. 

In dieser Rolle setzt er sich dafür ein, Innovationen und aktuelle Trends nicht nur zu begleiten, sondern aktiv voranzubringen und in die Organisationsstruktur zu integrieren. Dabei steht für ihn im Fokus, die Beschäftigten bei diesen Veränderungsprozessen mitzunehmen, ihre Perspektiven einzubeziehen und gemeinsam zukunftsorientierte Lösungen zu entwickeln. Insbesondere der Einsatz von Künstlicher Intelligenz spielt eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung moderner Arbeitsweisen. Dieses Potenzial möchten er, Sebastian Wolters und die Gemeinde Rosendahl gezielt nutzen, um innovative Lösungen für die Organisation und die Beschäftigten zu entwickeln. 

Aus der Praxis: Doppelinterview zum KI-Onboarding bei der Gemeinde Rosendahl 
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