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„Die digitale Transformation ist kein IT-Projekt“

Warum eine nachhaltige, digitale und zukunftsorientierte Kommunalverwaltung zwingend Führungsaufgabe ist

Sie ist in der kommunalen Welt – egal ob Großstadt oder Flecken auf der Schwäbischen Alb – in aller Munde: die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Die Herausforderung ist greifbar, wenn man die Rahmenbedingungen sieht. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen bis Ende dieses Jahres insgesamt 575 Verwaltungsleistungen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene den Bürger*innen medienbruchfrei digital zur Verfügung gestellt werden. Ist das alles, was eine digitale Kommune nun umsetzen sollte und wer sollte in der Stadt oder Gemeinde den Hut aufhaben?

Das Onlinezugangsgesetz: Digitale Verwaltung im „Frontend“

Das Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet Bund und Länder, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 auch elektronisch über Verwaltungsportale abzubilden. Das trifft direkt auch die kommunale Ebene. Konkret beinhaltet das zwei Aufgaben: Digitalisierung und Vernetzung. Zum einen müssen 575 Verwaltungsleistungen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene digitalisiert werden und zum anderen muss eine IT-Infrastruktur geschaffen werden, die den Bürger*innen den Zugriff auf die Verwaltungsleistungen einfach, online und medienbruchfrei erlaubt. Bund und Länder sind aktiv geworden und bieten – auch über die öffentlichen IT-Dienstleister – bereits Lösungen an, unter anderem nach dem Einer-für-Alle-Prinzip (EfA).

Klar wird jedoch immer mehr, dass die Schwierigkeiten zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der technischen Umsetzung liegen, sondern vielmehr der „Rollout“ in die Fläche besondere, auch rechtliche, Schwierigkeiten mit sich bringt. Hier sind die Kommunen besonders gefordert, weil sie letzten Endes als Verwaltung vor Ort und starke dritte Säule im Staatsaufbau eine Mammutaufgabe zu stemmen haben: Sie sind es, die einen großen Teil der Verwaltungsleistungen an die Bürger*innen bringen müssen. Das Zieldatum 31. Dezember 2022 ist – das wird offen gesagt – nicht mehr zu halten.

Ende-zu-Ende-Digitalisierung, OZG 2.0 und „Dresdner Forderungen“

Mit der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und der entsprechenden E-Government-Struktur ist die Verwaltungsdigitalisierung jedoch noch längst nicht an ihrem Ende. Über den Nachfolger des OZG wird bereits heftig in der Politik diskutiert, erste Rahmenbedingungen sind absehbar, aber die Entwicklung über das Ende des Jahres 2022 hinaus ist noch unklar. Absichten wie Ende-zu-Ende-Digitalisierung und „Once Only“ stehen gleichfalls im Raum.

Ziel ist eine zukunftsfähige, digitale und vernetzte Kommune – bereit für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und Dienstleister für ihre Bürger*innen, Unternehmen und andere. Dazu gehören vielerlei Digitalisierungsprojekte, ein zeitgemäßer Internetauftritt, ein nachhaltiger Umgang mit kommunalen Daten, ein funktionierendes digitales Netz mit Breitbandgeschwindigkeit und viele weitere Themen, die die digitale Transformation des öffentlichen Sektors prägen und begleiten.

Die Schwierigkeiten ob des Umfangs der bevorstehenden Aufgaben und den immer knappen Ressourcen der kommunalen Ebene haben zu den „Dresdner Forderungen“ des Städtetages geführt. In deren Mittelpunkt stehen vor allem die Verringerung der Komplexität bei der Verwaltungsdigitalisierung, die Stärkung der so genannten „digitalen Daseinsvorsorge“, zentrale IT-Verfahren und Prozesse für zentrale Aufgaben sowie eine Nutzer*innenzentrierung.

Digitalisierung in der Kommunalverwaltung: Thematische Schlaglichter

Die OZG-Umsetzung ist nur ein Teilbereich der Verwaltungsdigitalisierung in Städten und Gemeinden. Neben dem „Frontend“ braucht es für eine leistungsfähige und zukunftsorientierte Kommunalverwaltung auch Maßnahmen zur „Binnendigitalisierung“; nur so können die digitalen Verwaltungsleistungen gegenüber den Bürger*innen auch in der Kommune mit Mehrwert für insbesondere die Mitarbeitenden betrieben werden.

Im Mittelpunkt steht damit u. a. die Einführung einer praxistauglichen und gleichzeitigen effizienten Lösung für eine E-Akte und – damit eng verbunden – für ein Datenarchivierungssystem. Diese beiden Lösungen können miteinander verzahnt sein, müssen es aber nicht zwingend. Nicht weniger wichtig sind die jeweiligen Fachverfahren, in denen die Verwaltungsverfahren digital bearbeitet werden und die dadurch notwendigen Schnittstellen, einmal zum „Frontend“ und zum anderen zu E-Akte, Datenarchivsystem, elektronischen Bezahllösungen uvm. Mit der Umstellung auf digitale Verwaltungshandlungen ist regelmäßig auch eine Durchsicht und Anpassung der Prozesse in der Kommune und der Organisationsstruktur verbunden.

Betroffen von der digitalen Transformation der Kommunalverwaltung sind schlussendlich alle Fach- und Sachgebiete einer Kommunalverwaltung. Das beginnt bei Haupt- und Personalamt, geht über Ordnungs- und Bauverwaltung bis hin zur Liegenschaftsverwaltung und kommunaler Daseinsvorsorge wie Stadt- und Gemeindewerke. Bereits diese tour d’horizon durch die verschiedenen Themenfelder zeigt: die Aufgabe ist groß und komplex. Es darf stabiler, verlässlicher Strukturen und einer strategische Befassung damit, um sich nicht in Details zu verlieren.

Digitale Transformation als Führungsaufgabe

Wenn die Transformation alle Arbeits- und Wirkungsbereiche der Gemeinde oder Stadt betrifft, ist eines klar: Sie muss zentral und von der Führungsebene verantwortet werden. Das größte Risiko für Transformationsprozesse sind „Silo“-Bildungen in den jeweiligen Teilbereichen der Kommunalverwaltung. Die digitale Transformation  der kommunalen Verwaltung ist mehr als eine bloße Aneinanderreihung oder Verzahnung von IT-Projekten.  Zwar sind einzelne der Schritte auf dem Weg zur vernetzten, digitalen Kommune isoliert betrachtet eine Aufgabe, bei der die Informationstechnik die Führung übernimmt – in der Gesamtheit zielt die digitale Transformation als notwendiger Teil einer modernen, nachhaltigen Verwaltungsstruktur auf einen Wandel des Gesamtbildes ab.

Eine solche Aufgabe kann nur von der kommunalen Führungsebene verantwortet werden. Diese lebt auch das notwendige „Mindset“ vor und sorgt dafür, dass die Mitarbeitenden die Transformation nicht nur als Notwendigkeit, sondern gleichsam als Chance verstehen. Zu Beginn der Transformation sind die Ziele abzustecken, Priorisierungen vorzunehmen und auch die Rollen innerhalb der Kommunalverwaltung zu klären: Wer verantwortet? Wer steuert? Wer trägt operativ zum Erfolg bei? Diese wesentlichen Erfolgsfaktoren tragen regelmäßig dazu bei, dass das Ziel einer digitalen, modernen Kommune in greifbare Nähe rückt.

Gastautor Dr. Thomas Schuster

Dr. Thomas Schuster ist spezialisiert auf die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung. Nach verschiedenen Stationen in Anwaltschaft, Wissenschaft und Justiz, unter anderem als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht, berät er seit nunmehr mehreren Jahren den öffentlichen Sektor zu den rechtlichen und strategischen Herausforderungen der Verwaltungsdigitalisierung. Seit März 2021 verstärkt er die bundesweit tätige Kanzlei GvW Graf von Westphalen als Partner an deren Stuttgarter Standort. Auch im „politischen Nebenamt“ als Landesvorsitzender des Arbeitskreises sozialdemokratischer Jurist*innen (ASJ) Baden-Württemberg beringt er sich thematisch im Schwerpunkt bei solchen Themen ein, die Verwaltungsmodernisierung, Kommunalverwaltung und Digitalisierung zum Gegenstand haben. 

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