info@public-pioneers.de | Tel. 07808/ 9139 181

„Social Media geht nicht mehr weg“  

Social Media entwickelt sich rasant und ist viel Arbeit. Wie können Behörden da Schritt halten? Und welche Kanäle sind relevant? Wir haben für diese und viele weitere Fragen eine Expertin aus der Praxis gefragt! Denn Anna Carla Springob ist nicht nur studierte Medienwissenschaftlerin, sondern arbeitet als Pressesprecherin und Social Media-Managerin bei der Bezirksregierung Arnsberg und kennt damit den Behördenalltag nur zu gut.

Was waren Ihre Anfänge bei Social Media?

Wir hatten zuhause erst verhältnismäßig spät Internet und so habe ich mich erst 2009 bei Facebook angemeldet. Ein Jahr später habe ich für einen Verband ehrenamtlich einen Facebook- sowie Twitter-Account betreut. Das fand ich ziemlich spannend.

Nach der Schule entschloss ich mich, neben Sozialwissenschaften auch Medienwissenschaften zu studieren, weil mich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sehr interessierte. Während des Studiums bin ich tiefer in den Bereich Social Media reingerutscht und habe unter anderem bei einem Weiterbildungsanbieter für den Bereich Online-Kommunikation gearbeitet. Dadurch habe ich unterschiedliche Einblicke in verschiedene Branchen, von Behörden bis hin zu diversen Industrien, erhalten.

Dann sind Sie zufällig bei einer Behörde gelandet?

2018 war mein Master-Studium beendet und ich bin durch einen späteren Kollegen auf einen Tweet mit der Stellenanzeige der Bezirksregierung Arnsberg aufmerksamen geworden: Sie hat eine Pressesprecherin bzw. einen Pressesprecher mit Schwerpunkt Social Media gesucht.

Und das sprach mich an, weil ich aus der Weiterbildungstätigkeit auch Personen und ihre Arbeit in diesem Sektor kannte, so z.B. Christiane Germann. Ich fand dieses Umfeld des öffentlichen Dienstes spannend und hab dann gesagt: Okay, es ist von der Entfernung her zum Pendeln noch so, dass ich das gut mit mir vereinbaren kann. Ich habe mich dann beworben und bin es am Ende auch geworden.

Wie sieht denn Ihr Alltag als Pressesprecherin und Social Media Managerin aus?

DEN Alltag gibt es nicht (lacht). Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wie auch Social Media ist nicht nur intrinsisch motiviert, sondern man reagiert oft auf Faktoren von außen.

Ich decke das gesamte Potpourri ab, das bedeutet, Presseanfragen bearbeiten, Pressemitteilungen schreiben, aber auch so Sachen wie Content Planung oder Content Creation für Social Media. Natürlich habe ich noch Kolleginnen und Kollegen, die mitarbeiten bspw. bei der Mediengestaltungund in der Öffentlichkeitsarbeit. Wir stehen im ständigen Austausch, auch mit den Fachdezernaten.

Und über allem hängt die strategische Weiterentwicklung: Welche Plattformen bringen uns weiter, welche nicht? Was ist zielführend, was ist nicht (mehr) zielführend? Bspw. schauen wir momentan verstärkt auf die Entwicklung von Twitter.

An jedem Tag ist immer irgendwo ein bisschen was von allem dabei, mal das eine mehr oder das andere weniger, aber den typischen Alltag gibt es nicht.

Wie arbeiten Sie denn schnittstellenübergreifend?

Das kommt darauf an. Die Zusammenarbeit mit dem Kolleginnen und Kollegen aus der Mediengestaltung  und aus der Öffentlichkeitsarbeit ist sehr eng, nämlich einfach über den Gang oder mit einem schnellen Griff zum Telefonhörer (lacht).

Für den gesamten Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit haben wir im 2-Wochen-Rhythmus Videokonferenzen oder Besprechungen. Da geht es um die Ausspielung von Inhalten zu verschiedenen Anlässen auf den unterschiedlichen Kanälen. Die Pressearbeit basiert mehr auf kurzfristigen Absprachen. Das liegt eben auch an den Presseanfragen.

Mit der technischen Internetredaktion sprechen wir wöchentlich, um uns auf aktuellem Stand zu halten. Und einmal im Monat findet eine größere Runde statt. Dann sind Vertreterinnen und Vertreter der Abteilungen dabei, die dann Themenvorschläge unterbreiten können; aber auch wir können in diesen Runden noch einmal um Feedback und Unterstützung für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit werben.

Es passiert generell viel in der internen Kommunikation via Telefon, Chat oder per Mail. Schließlich ist die externe nur so gut wie die interne Kommunikation. Uns ist die Mischung aus fixen aber nicht zu vielen Terminen und Ad-hoc-Kommunikation ganz gut gelungen.

Sie haben bereits den kritischen Blick für Twitter erwähnt. Die digitale Medienwelt verändert sich rasant. Videos werden immer wichtiger und mit der Generation Z ist die erste Generation am Arbeitsmarkt, die komplett im digitalen Zeitalter aufgewachsen ist. Wie sollen Behörden da mitkommen und woher die Ressourcen nehmen?

Wir sollten uns alle ins Bewusstsein holen: Social Media geht nicht mehr weg und es ist Arbeit und zwar genauso wie die „klassische“ Pressearbeit! Es gibt eine Faustformel, dass man so viel in Social Media investieren sollte wie in die Pressearbeit. Das ist in kleinen Kommunen natürlich schwierig umzusetzen. Aber es muss klar sein, dass Social Media keine „Nebenbeitätigkeit” ist.

Denn gerade bezogen auf die jüngere Generation gilt: Was nicht im Internet auffindbar ist, existiert nicht. Bei den ganz jungen Personen ist eine Website fast schon oldschool. Bei uns kommt noch hinzu, dass wir erst einmal erklären müssen, was eine Bezirksregierung überhaupt ist. Denn als Mittelbehörde befinden wir uns unterhalb der Ministerialebene, sind aber ebenfalls Landesverwaltung. Bei uns laufen die wesentlichen Aufgabenstränge fast aller Landesministerien zusammen. Wir vertreten die Landesregierung in unserem Regierungsbezirk, der Südwestfalen und das östliche Ruhrgebiet umfasst. Wir verstehen uns als verantwortungsvolle Dienstleisterin, die staatliche, kommunale sowie verbandliche Interessen zusammenführt..

Für Kommunen fällt dieser Erklärungsbedarf weg. Wenn wir als Staat mit Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren möchten, dann ist Social Media eine Möglichkeit. Ich bin keine Verfechterin von Social Media als einzigem Kommunikationsmittel. Es ist vielmehr ein Kommunikationsmix notwendig. Manche erreiche ich auf Instagram und andere auf Facebook und die Dritten lesen klassisch eine Zeitung, hören ein Radiogespräch oder möchten ihren Wurfzettel.

Das schließt sich gegenseitig nicht aus. Es muss einfach klar definiert sein, wen ich erreichen will. Bei Personalrecruiting von Azubis ist Instagram bei uns im Haus Mittel der Wahl.

Wir erleben das oft, dass das Bewusstsein dafür vorhanden ist, dass Social Media Arbeit ist. Nur fehlt es gerade kleineren Kommunen an Personal. Haben Sie da Tipps, um trotzdem auf Social Media aktiv zu sein?

Weniger ist mehr! Lieber weniger Kanäle und diese dann zielgerichtet nutzen als zu versuchen, überall halbgar unterwegs zu sein. Es ist ja keine Strategie zu sagen: „Wir wollen jetzt Instagram.“ Vor dem Start muss ich mir klarmachen, was meine Kommunikationsziele sind und wo ich diese Leute erreiche. Dann braucht es Stellenanteile, um die Verantwortlichkeit zu benennen. Die Anteile dieser Stelle hängen von vielen Faktoren ab, da würde ich mich jetzt nicht aus dem Fenster lehnen und Tipps abgeben.

Wie unterscheidet sich die Behördenkommunikation als Landesmittelbehörde zwischen der einer Kommune?

Ich kann da nur aus dem Bereich Social Media sprechen, da es die klassische Pressestelle schon vorher gab. 2018 haben wir mit einer klassischen Strategieentwicklung begonnen. Wir haben die Ist-Soll-Situation analysiert, Maßnahmen und Meilensteine wie auch die Zielgruppe definiert. Es gab aber schon Dinge wie den Twitter-Account und dieser Kanal war von der damaligen Behördenleitung gesetzt. Geplant war für die Bürgerkommunikation Facebook, weil dieses Netzwerk den größten Querschnitt bietet. Instagram haben wir als Recruiting-Kanal für Azubis bzw. Anwärterinnen und Anwärter gesehen.

Dann kam die Corona-Pandemie und wir haben von Facebook Abstand genommen. Denn wir wollten in einer Krise keinen neuen Kanal aufbauen. Die Bürgerinnen und Bürger fragen sich dann: Ist der echt? Schließlich hätte den Kanal bis dahin keiner gekannt.

Im Sommer 2021 haben wir unseren Instagram-Account eröffnet, weil wir Nachwuchs brauchen. Gerade durch die Pandemie fanden Messen nicht mehr in der Art wie vor Corona statt. Da mussten wir den nächsten digitalen Schritt gehen.

Hat TikTok bei Ihren Überlegungen eine Rolle gespielt?

Das sind Entwicklungen, die wir natürlich beobachten. Hier im Haus war die Tendenz, dass die Datenschutzdiskussionen im Bereich us-amerikanischer Plattformen ausreichen. Eine weitere um eine chinesische Plattform sollte nicht noch dazukommen.

TikTok hat aber ja auch Auswirkungen auf andere Plattformen: Deshalb haben wir den Videobereich Stück für Stück aufbauen müssen. Instagram war insofern auch eine „Kompromisslösung“, da ich dort neben Bewegtbild auch mal ein Foto oder eine Story hochladen kann. Im Laufe des Jahres haben wir reichlich Reels produziert. Da werden wir besser und haben Know-how aufgebaut.

Die Etablierung eines Kanals hilft, denn man braucht auch Protagonistinnen und Protagonisten, die sich vor die Kamera stellen. Sei es für ein Foto oder ein Video.

Welche Kanäle sind denn aus Ihrer Sicht die wichtigsten für Behörden?

Da gibt es kein allgemeingültiges Kuchenrezept. Wir sind aktuell wieder in einer Strategieüberarbeitung, auch weil es einen Behördenleiterwechsel gab. Die Frage ist immer: Was will ich überhaupt? Möchte ich mit Bürgerinnen und Bürger kommunizieren, dann ist Facebook immer noch das Mittel der Wahl. Wenn ich junge Bewerberinnen und Bewerber suche, ist es Instagram, bei älteren eher LinkedIn. Und: Es ist halt auch eine Frage der eigenen Ressourcen.

Ab welcher Behördengröße würden Sie Twitter empfehlen?

Twitter ist Stakeholder-Kommunikation. Das heißt, dass ich dort mit anderen Behörden, Interessensverbänden oder Politikern kommuniziere. Da kommt es nicht auf die Größe der Kommune an, sondern auf die Themen vor Ort. Spielt evtl. eine Bürgerinitiative den Kanal? Dann ist es sinnvoll, als Kommune auch dort aktiv zu sein. Bei uns ist Twitter primäre eine journalistische Quelle. Es ist keine Plattform für die Bürgerkommunikation im klassischen Sinne.

Selbst wenn ich mich gegen eine Bespielung der Plattform entscheide, sollte ich Diskussionen dort im Blick behalten.

Welche praktischen Tipps haben Sie, um die Social Media Arbeit so effizient wie möglich umzusetzen?

Wir arbeiten mit den Backends der jeweiligen Plattform. Im Haus haben wir die Adobe-Produkte. Wer diese nicht nutzt, hat z.B. mit Canva eine Alternative.

Zur Teamkollaboration nutzen wir bewusst analoge und keine digitalen Kanban Boards. Und das Telefon ist eines der wichtigsten Medien. Mal eben jemanden anrufen, miteinander ins Gespräch kommen, ist ganz ganz wichtig.

Wir haben die Erfahrung gemacht, wenn es Personen als Eisbrecher gibt, die vor der Kamera waren und es gar nicht so peinlich fanden, dann wird so intern die Werbetrommel gerührt. Die Protagonistinnen und Protagonisten schauen vor der Veröffentlichung über die Videos und haben natürlich Mitspracherecht.

Beim Blick auf 2023: Welche Trends sehen Sie?

Wir werden nicht mehr von Videos wegkommen und das muss auch nicht die Hochglanzbroschüren-Variante des Bewegtbildes sein, sondern da reicht ein Handyvideo aus. Auch wenn Instagram die Reels nicht mehr ganz so pusht wie zuletzt, bleiben Videos –  auch auf anderen Plattformen – sehr wichtig.

Unabhängig von der Behördengröße oder dem Bundesland wird das Thema Personalrecruiting auf Instagram und LinkedIn immer drängender. Das ist dem allgemeinen Fachkräftemangel geschuldet und geht natürlich am öffentlichen Dienst nicht vorbei.

Frau Springob, wir danken Ihnen für das Interview!

Über Anna Carla Springob

Anna Carla Springob ist Social-Media-Managerin und Pressesprecherin bei der Bezirksregierung Arnsberg. Die studierte Medienwissenschaftlerin (M.A.) und Social-Media-Managerin Advanced (IHK) bringt beim strategischen Auf- und Ausbau der #BehördenSocialMedia und Onlinekommunikation vielfältige Erfahrungen aus ihren Tätigkeiten als Online-Redakteurin, Community-Managerin und Dozentin in der Erwachsenenbildung ein.

Foto: Bezirksregierung Arnsberg

„Social Media geht nicht mehr weg“  
Nach oben scrollen