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“Wir wurden im Gegenzug für unser Vertrauen mit tollen Ergebnissen belohnt”   

Beim Lesen des Interviews wird es spürbar, wie sehr Florian Ramolla für das Thema Ausbildung brennt. Ramolla, der beim Kreis Euskirchen im Fachbereich Personalmanagement für das Ausbildungsmarketing verantwortlich ist, gibt viele Einblicke in die Arbeit der letzten Jahre. Und hier hat sich so Einiges getan! 

Vielfalt und Nachhaltigkeit seien zwei Themen, die beim Landratsamt von zentraler Bedeutung sind. Wie sie für Auszubildende vermittelt werden, lesen Sie im Interview.  

Wie viele Auszubildende bildet der Kreis Euskirchen aktuell aus?  

Wir bilden zurzeit 60 Auszubildende in zehn verschiedenen Berufsfeldern aus. Wir bilden die „klassischen“ Verwaltungsberufe aus – sowohl im Beamten- als auch im Angestelltenverhältnis. Aber auch Geomatiker*innen, Vermessungstechniker*innen, Notfallsanitäter*innen, Straßenwärter*innen und Umwelttechnologen für Kreislauf und Abfallwirtschaft, Fachkräfte für Medien- und Informationsdienste und Fachkräfte für Straßen- und Verkehrstechnik. 

Wie haben sich die Anforderungen und Erwartungen an Auszubildende in den letzten Jahren verändert?  

Die Auszubildenden sind beim Start oft aufgeregt und unsicher- das war, denke ich, zu jeder Zeit so. Wir versuchen unseren Azubis daher heutzutage den Start bei uns so leicht wie möglich zu machen.  

So organisieren wir zentral eine Einführungswoche, in der wir uns Zeit für die neuen Kolleginnen und Kollegen nehmen. Beim gegenseitigen Kennenlernen und der Vernetzung mit den älteren Jahrgängen steht die Teambildung im Fokus. Sie lernen in der Einführungswoche aber auch die Struktur der Verwaltung, unsere vielfältigen Aufgaben und den Landrat, seinen Vertreter sowie einige andere Führungskräfte aus unserem Haus kennen. Daneben bahnen wir die erste Berührung mit dem Thema „Vielfalt“ an, das einen hohen Stellenwert bei uns hat. 

Heute erleben wir selbstbewusste junge Leute, die schon früh gelernt haben und es gewohnt sind, ihre Sorgen, Ängste und Unsicherheiten anzusprechen. Und die – sofern sie erleben, dass sie mit ihren Problemen nicht wahr- oder ernst genommen werden- schneller bereit sind, einen Arbeitgeber zu verlassen. 

Daher wird es immer wichtiger, einen zentralen Ansprechpartner vorzuhalten, der außerhalb der Facheinheiten, in denen die Azubis im Ausbildungsabschnitt eingesetzt sind, stets Ansprechpartner ist und sich um die Anliegen kümmert. Und zwar mit Herz und Verstand. Im Grunde gelebte Wertschätzung. 

Welche Maßnahmen ergreift der Kreis Euskirchen, um junge Talente für eine Ausbildung zu gewinnen?  

Wir haben eine Gruppe bei den jungen Talenten besonders im Blick. Nämlich solche, die zum Beispiel aufgrund von familiären Verpflichtungen oder wegen Krankheit oder Behinderung ihre Ausbildung nicht in Vollzeit absolvieren können. Oft sind das junge Menschen, die schon eine Ausbildung oder ein Studium absolviert haben, manchmal schon einige Jahre im Arbeitsleben standen und noch einmal neu anfangen möchten. Wir unterstützen die persönliche Situation, indem wir unsere Ausbildungen in Teilzeit anbieten und unter bestimmten Voraussetzungen dafür eine Vollzeitvergütung zahlen. Wir haben in den letzten Jahren sehr gute Erfahrungen mit unseren Teilzeit- Auszubildenden gemacht und haben total engagierte, flexible, fleißige Kolleginnen und Kollegen ausgebildet, die das ihnen in der Ausbildung entgegengebrachte Vertrauen zu schätzen wissen und gerne langfristig bei uns bleiben. 

Andererseits versuchen wir mit unserer Azubi-Gewinnung schon so früh wie möglich anzusetzen. Wir sind gerne persönlich in Schulen unterwegs und haben eine Kollegin, die die Schülerpraktika in unserer Behörde organisiert. Sie hat ein Betreuungskonzept entwickelt, das wir „Buddy-Prinzip“ nennen. 

Ein Schülerpraktikant wird einer Auszubildenden zugeteilt. Die beiden sind quasi im Tandem in der Facheinheit unterwegs. Der Auszubildende oder die Auszubildende nimmt den oder die Praktikantin an die Hand und begleitet sie oder ihn auf Augenhöhe durch das Praktikum und gibt Einblicke in den Berufs- und Ausbildungsalltag.  Unsere Auszubildenden wissen, dass sie damit eine verantwortungsvolle Aufgabe haben und spüren dadurch unsere Wertschätzung. Bei den Praktikanten baut diese Form der Betreuung Hürden und Hemmnisse ab und sie sind viel offener in ihrem Schülerpraktikum. Häufig bewerben sich die ehemaligen Praktikanten bei uns später um einen Ausbildungsplatz. 

Wie spricht der Kreis die Generation Z gezielt an?  

Erstaunlicherweise stellen wir immer wieder fest, dass unsere Azubis doch noch recht analog auf der Suche nach Ausbildungsplätzen sind. Sie besuchen, oft gemeinsam mit ihren Eltern, Ausbildungs- und Berufsmessen oder lassen sich von ihrer Familie oder Lehrerinnen und Lehrern auf Zeitungsanzeigen aufmerksam machen. Andererseits sind Social-Media-Kanäle natürlich ein Muss!  

Wir glauben, dass wir die jungen Leute am besten durch eine Ansprache auf Augenhöhe erreichen, also am besten durch unsere Azubis, die wir bereits bei uns haben.   

Gibt es spezielle Kampagnen oder Initiativen, die besonders erfolgreich waren?  

In diesem Jahr haben wir einige neue Dinge ausprobiert: 

Wir haben ein kleines „Mitarbeiter werben Azubis-Programm“ aufgelegt und im Rahmen dessen unsere Belegschaft eingeladen, unsere Stellen weiterzuempfehlen und zu teilen. Zu jeder ausgeschriebenen Stelle hinterlegen wir auf unserer Homepage optisch ansprechende Sharepics, die heruntergeladen und in den privaten Netzwerken leicht geteilt werden können. Bei der Einstellung bleibt es natürlich bei der Bestenauslese! 

Ein Highlight war der Instagram-Takeover, bei dem eine Gruppe von Auszubildenden drei Tage den Instagram-Kanal der Kreisverwaltung gekapert hat. Es wurde im Vorfeld eine kleine Arbeitsgruppe aus Azubis gebildet, die sich selbst organisiert hat, völlig selbständig einen Redaktionsplan ausgearbeitet und Beiträge vorproduziert hat. Am Tag selbst wurden dann noch spontane Posts eingestreut. Das hat viel Aufmerksamkeit gebracht. Unsere Azubis haben in diesem Jahr auch selbst kleine Imagefilme zu verschiedenen Ausbildungsberufen gedreht, die auf unserer Homepage im Bereich „Ausbildung, Praktikum, BFD“ zu sehen sind. Das war alles in allem ein tolles Projekt, das nur funktioniert hat, weil wir total kreative, technikaffine Azubis haben, die wir komplett „von der Leine lassen“ konnten. Wir wurden im Gegenzug für unser Vertrauen mit ganz tollen Ergebnissen belohnt, die wir im Rahmen unseres Stellenmarketings auf den herkömmlichen Wegen ausspielen konnten.    

Bietet der Kreis besondere Anreize bzw. Benefits, um Azubis zu gewinnen?  

Wir sind natürlich an unseren Tarifvertrag gebunden. Und als umlagefinanzierte Behörde sind wir besonders verpflichtet, sparsam und wirtschaftlich mit den Kreisfinanzen umzugehen. Gerade aber die Tatsache, dass es einen Tarifvertrag mit transparenter und verlässlicher Gehaltsstruktur gibt, kommt bei vielen jungen Leuten gut an. Ich denke, wir punkten durch die persönliche Betreuung, die die Azubis bei uns im Haus erfahren- das spricht sich herum. Mund-zu-Mund-Propaganda hat zu jeder Zeit und in jeder Generation funktioniert und tut es noch immer!  

Als Benefits nehmen unsere Azubis – neben der Einführungswoche – auch diese besonderen Projekte und Highlights während ihrer Ausbildung wahr. 

Große Themen bei uns im Haus, die unser Handeln beeinflussen sind die Themen Vielfalt und Nachhaltigkeit. Für die Akzeptanz dieser Themen legen wir schon früh den Grundstein. So durchlaufen alle unsere Azubis die „Woche der Begegnung“ – ein niederschwelliges Begegnungstreffen mit jungen Menschen mit Flucht- oder Einwanderungsgeschichte. Hier erlernen oder vertiefen unsere Azubis ihre interkulturelle Kompetenz und transferieren sie in den Verwaltungsalltag (Stichwort: diversitätssensible Dienstleistungserbringung). 

Wir leben nah an der belgischen und niederländischen Grenze. Daher ist das Thema Europa in unserer Verwaltung oft unmittelbar spürbar. Beim „Azubi-Gipfel“ empfinden unsere Azubis die Arbeit im EU-Parlament inkl. Gesetzgebungsverfahren nach. Wir fördern so das Wissen und die Akzeptanz für die Europäische Union. 

Während der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ bieten wir mehrere Workshops für unsere Azubis an. 

Zur Kenntnisverbesserung oder Vertiefung organisieren wir (in Zusammenarbeit mit unserer Volkshochschule) ganz bedarfsgerecht Word-, Excel- oder PowerPoint-Kurse. Auch Rechtschreib- und Grammatik- Vertiefung bieten wir an, wenn es erforderlich ist.           

Regelmäßige Lerngruppe bieten unseren Azubis die Möglichkeit zum Austausch und gemeinsamen Lernen. Für uns bietet die Lerngruppe den Vorteil, dass wir regelmäßig alle Azubis zusammen haben und bei der Gelegenheit inhaltlich relevante Themen persönlich mit der großen Runde besprechen können. 

Neben einer Weihnachtsfeier, die durch die Jugend- und Auszubildendenvertretung organisiert wird, nehmen unsere Azubis natürlich (sofern sie möchten) an all unseren Veranstaltungen teil, die wir im Haus anbieten. Karnevalsfeiern, FEIERabend-Veranstaltungen, Betriebs- und Abteilungsausflüge oder Lunch-Lotto sind schöne Gelegenheiten, sich zu treffen und miteinander ins Gespräch zu kommen. 

Auch unser betriebliches Gesundheitsmanagement, das wir für alle Kolleginnen und Kollegen anbieten, spricht unsere Azubis an. Neben kostenfreien Sport- und Gesundheitsangeboten in der Mittagspause vor Ort im Kreishaus stehen über einen Kooperationspartner kostenfreie online-Sportangebote zur Verfügung sowie bei Zuzahlung die Möglichkeit deutschlandweit Fitness- und Sportangebote in Studios zu nutzen. 

Wie sehen Sie die Zukunft der Ausbildung im öffentlichen Dienst? Wird es neue Berufsbilder oder Schwerpunkte geben?  

Die Zukunft der Ausbildung im öffentlichen Dienst wird maßgeblich von der fortschreitenden Digitalisierung und den veränderten Erwartungen der Menschen bestimmt sein. Unsere Behörde versteht sich als moderner Dienstleister für alle Bürger*innen und Einwohner*innen des Kreises Euskirchen, weshalb wir auch unsere Ausbildungskonzepte kontinuierlich weiterentwickeln, um mit den Anforderungen der digitalen Gesellschaft Schritt zu halten. 

Wir sehen eine klare Entwicklung und Aktualisierung von Ausbildungsinhalten, als Stichpunkt sei hier E-Government genannt. Dieses Thema spielte vor ein paar Jahren in der klassischen Verwaltungsausbildung kaum eine Rolle. Neue Schwerpunkte bei den Verwaltungsberufen sind zudem digitale Kompetenz und ein agiles Projektmanagement. Auch wird ein größerer Fokus auf die Bürger*innenorientierung gelegt als noch vor einem Jahrzehnt.  Innovative Lösungen und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit externen Partnern helfen gemeinsam zum Ziel zu kommen. 

Gerade in unruhigeren Zeiten in der Wirtschaft kommt einer Ausbildung im öffentlichen Dienst aber ein großes Benefit zugute, Sicherheit! Vielen jungen Menschen ist ein krisensicherer Ausbildungsplatz und im Anschluss Arbeitsplatz, sehr wichtig.  Darüber hinaus möchten junge Menschen gerne flexibel sein und bleiben, durch vielfältige Aufgaben können wir auch diesen Wunsch erfüllen. Die große Aufgabe besteht nun darin, den jungen Menschen zielgruppenorientiert unsere Behörde näher zu bringen und aufzuzeigen, wie spannend und abwechslungsreich unser beruflicher Alltag sein kann! 

Glauben Sie, dass KI und digitale Tools in den nächsten Jahren den Bewerbungsprozess und die Ausbildung weiter verändern werden?  

Beim Bewerbungsprozess bin ich skeptisch. Bewerbungen gehen schon lange nicht mehr in Papierform bei uns ein. Der Einstellungstest ist ebenfalls schon lange digitalisiert. Aber ab einem gewissen Punkt kann keine KI das persönliche Kennenlernen und den persönlichen Eindruck übertreffen, den sich bei uns im Vorstellungsgespräch ja mehrere Menschen machen (müssen). 

Bei den Ausbildungsinhalten der nichttechnischen Ausbildungsberufe wird sich in den nächsten Jahren bestimmt einiges tun. Bei uns im Haus gibt es viele Digitalisierungsprojekte, bei denen auch immer wieder KI eine Rolle spielt. Wie alles in der Verwaltung, brauchen solche grundlegenden Änderungen und Weiterentwicklungen vielleicht etwas mehr Zeit.  

Vielen Dank für das Interview, Florian Ramolla!

“Wir wurden im Gegenzug für unser Vertrauen mit tollen Ergebnissen belohnt” 
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